Episode 308
First Wife
(Die Forderung)
Drehbuch: Joy Blake
Regie: Jennifer Getzinger
“Do ye know what it is to live twenty years without a heart?
To live half a man and accustom yourself to exist in the bit that’s left?
(Jamie Fraser)
ACHTUNG: Der folgende Text enthält Spoiler. Nicht nur Spoiler zur Serie und der aktuellen Folge, sondern auch zu allen Büchern von Diana Gabaldon, die bis zum heutigen Datum erschienen sind
“First Wife” ist in meinen Augen ein hervoragendes Beispiel, wie großartig diese Serie sein kann, auch wenn die Serienmacher viele Dinge rearrangiert und geändert haben und wieder einmal die Handlung sehr gestraft wurde. Aber das alles stört absolut nicht, denn diese Episode ist von vorn bis hinten in sich stimmig und solange die Charaktere buchgetreu wiedergegeben werden, bin ich auch mit den Änderungen der Rahmenhandlung in den meisten Fällen einverstanden. Glückwunsch an Joy Blake, die ihr Outlander Drehbuch-Debüt wirklich sehr gut gemeistert hat und mir mal wieder beweist, dass mir ein buchnahes Drehbuch mit vielen Buchdialogen besser gefällt und mich wesentlich zufriedener zurücklässt, als die Folgen, in denen ich die Handlung und die Charaktere aus Dianas Büchern erst suchen muss und leider manchmal nicht finden kann. Es gibt diese Woche eine ganze Menge von ausgezeichneten Dialogen (viele sogar wortwörtlich aus dem Buch und davon einige, die zu meinen Allzeit-Favoriten zählen), eine Portion Spannung, einiges an Herzschmerz und das ganze wird mit einer Prise großartiger Schauspielkunst abgerundet. All diese Dinge in ihrer ausgewogenen Mischung ergeben in ihrer Summe eine wundervolle Folge, die strahlt, aber die leider auch von einer kleinen Wolke am Himmel zeitweise verdunkelt wird, denn ich hadere mit der letzten Szene. Wenn Jamie und Claire auf den Klippen einen ihrer wenigen privaten Momente in dieser Folge haben und Claire ihre Zweifel äußert, ob es die richtige Entscheidung gewesen ist, zu Jamie zurückzugehen, fühlt es sich für mich nicht richtig an, aber dazu später mehr.
Als ich in den Namen Bill Paterson in den Opening Credits gelesen habe, hat mich das sehr gefreut, weil ich ihn in der Rolle als Ned Gowan in der ersten Staffel sehr genossen habe. Nachdem er damals, nach dem Hexenprozess, vom Mob überwältigt worden ist, hatte ich mir ernsthaft Sorgen um sein Wohlergehen gemacht. Aber, Gott sein Dank, erfreute sich Ned in den Deleted Scenes, die nach dem Hexenprozess stattgefunden haben, bester Gesundheit. Er war zwar etwas ramponiert, aber immerhin am Leben und ich freue mich, ihn in dieser Folge noch einmal sehen zu dürfen.
Im Drehbuch gibt es noch die ein oder andere Szene, die es nicht in die endgültige Fassung dieser Episode geschafft hat. So gibt es eine Szene mit Fergus, Marsali und Claire und auch eine mit Joan und Claire, die wirklich sehr schön ist. Auch haben sie noch eine kurze Sequenz gedreht, in der Joan mit Claire alleine im Schlafzimmer ist, nachdem ihre Mutter und Marsali aus dem Raum gestürmt sind. Jamie kümmert sich um Joan, die sichtlich verstört ist und begleitet sie nach unten. Der Wegfall dieser Sequenz erklärt meines Erachtens, warum sich der Übergang von der Szene im Schlafzimmer zu Jamie und Joan auf der Treppe etwas abrupt anfühlt. Übrigens wurden diese Episode und 302 zusammen als ein Block gedreht. Ihr wisst doch, die Folgen werden immer blockweise gefilmt – ein Block zwei Folgen -, normalerweise sind das immer zwei aufeinanderfolgende Episoden, aber es gibt auch Ausnahmen, wie hier. Das erklärt übrigens auch Jamies anderen Haarschnitt, verglichen mit dem aus 306 und 307. Apropo Jamie: habt Ihr auch bemerkt, dass er mit seinen Fingern auf seine Satteltasche trommelt, nachdem Claire und Jenny ihren ersten Schlagabtausch im Hof von Lallybroch hatten? Oh, wie ich es liebe, wenn Sam diese kleinen, kaum sichtbaren Jamie-Dinge macht und ich freue mich immer wie ein kleines Kind, wenn ich sie entdecke.
Nell Hudson hat in meinen Augen einen guten Job gemacht, Laoghaire Leben einzuhauchen und diesen Charakter zu spielen, den bestimmt viele von uns (mich eingeschlossen) lieben zu hassen. Die Ähnlichkeit zwischen Laoghaire und Marsali ist nicht von der Hand zu weisen und ich finde, dass sich das Casting-Departement wieder einmal selbst übertroffen hat, denn meiner Meinung könnte Lauren Lyle und Nell Hudson Schwestern sein.
Laura Donnelly ist schlicht und ergreifend großartig und sie wird tausendprozentig meiner Buch-Jenny gerecht. Jedes Mal, wenn Jamie und Claire nach Lallybroch gehen, geht mir mein Herz auf, denn ich weiß, dass ich eine bemerkenswerte Performance von ihr sehen werde. Ich bin sehr traurig, dass wir Laura und Steven für lange Zeit erst einmal nicht wiedersehen werden, aber umso mehr freue ich mich dann, wenn uns Dianas Buch “Der Ruf der Trommel” in der nächsten Staffel wieder nach Lallybroch führen wird.
Und wir haben ein neues Outlander-Trinkspiel! Jenny hat in dieser Folge mindestens sechs Mal den Ausdruck “zwanzig Jahre” verwendet und auch Jamie hat es bestimmt mehr als zweimal gesagt. Ich denke, dass das doch ein toller Ersatz für unser “Mark Me”-Trinkspiel aus der zweiten Staffel ist und wenn Ihr das nächste Mal diese Folge anschaut, dann gönnt Euch doch jedes Mal, wenn Ihr “zwanzig Jahre” hört, einen Wee Dram. Slàinte Mhath!
Young Ian und Claire sind sich in den wenigen Tagen, in denen sie sich kennen, näher gekommen und er hegt jetzt schon eine tiefe Sympathie und große Bewunderung für seine Tante, weil er als Einziger wirklich unvoreingenommen sieht, dass sie seinem Onkel gut tut. Er vertraut auf Jamies Urteilsvermögen, denn dieser hat sich mit Haut und Haaren für Claire entschieden und somit unterstützt Young Ian die Wahl seines Onkels uneingeschränkt und sorgt für Claire, wenn Jamie es nicht kann. Was für ein schlaues und liebenswertes Kerlchen und mir wird wirklich warm ums Herz, John Bell dabei zuzusehen, wie er Young Ian so facettenhaft auf den Bildschirm transportiert. Er besitzt in meinen Augen das Talent, die Leichtigkeit und Unschuld dieses Charakters wunderbar mit der Ungeduld und dem Übermut eines Teenagers zu kombinieren, ohne dabei überzogen oder lächerlich zu wirken. Es amüsiert mich sehr, dass Young Ian sich voller Engagement und Inbrunst um Kopf und Kragen redet und sich selbst, seinen hochgeschätzten Onkel und seine Auntie in immer größere Schwierigkeiten bringt, wenn er mit vor Stolz geschwellter Brust seine Geschäfte als Brandyverkäufer zum Besten gibt und erzählt, wie toll es gewesen ist, dass Claire einen Mann getötet hat und zum krönenden Abschluss dann das kleine Feuer in der Druckerei erwähnt. Man möchte ihm am liebsten stoppen, damit ihm und dem Rest der anwesenden Beteiligten und auch Nichtbeteiligten weitere Peinlichkeiten erspart bleiben, aber es ist so herrlich dem ganzen Geschehen zu folgen und dabei Jamie und Claire zu sehen, die sich innerlich winden und versuchen, das Loch zu finden, das sich leider nicht im Boden auftun will, dass ich es wirklich schade finde, dass Jenny dem ganzen Geschehen ein Ende setzt, indem sie Young Ian hinausschickt. Mir gefällt es gut, dass die Serienverantwortlichen einen Weg gefunden haben, wie Jamie Young Ian betrafen kann, ohne ihm körperlich weh zu tun und dabei auch noch Claire beweisen kann, dass er auch nach all den Jahren nicht vergessen hat, was er damals in “The Reckoning” auf Leoch zu ihr gesagt hat, nämlich, dass es für sie einen anderen Weg geben wird, als die alten Traditionen beizubehalten. Jamies Aussage “Ye ought to give him a taste of freedom, while he still thinks it’s yours to give.” zeigt, dass er seinen Neffen wirklich versteht und er appelliert mit diesen Worten an Jenny, ihrem Sohn seine Freiheit zu geben, bevor er wieder wegläuft, einen Tipp, den sie am Ende der Folge dann auch beherzigt.
Obwohl mich John Bell mit dieser Folge endgültig von seinem Können überzeugt hat, habe ich manchmal noch meine Zweifel, dass er allen körperlichen Anforderungen, die, in Staffel 4 und in den hoffentlich noch kommenden, an seinen Charakter gestellt werden, gerecht werden kann. Verglichen mit meinen Buch-Young Ian ist John Bell wesentlich schmächtiger und kleiner und er wirkt manchmal zerbrechlicher, als ich ihn mir vorgestellt habe. Daher lege ich mein ganzes Vertrauen in die Menschen, die wesentlich mehr davon verstehen, als ich und die viel besser beurteilen können, welches Entwicklungspotenzial der eine oder andere Schauspielerin hat. Ich weiß, dass mich das Casting-Departement bis jetzt noch nie enttäuscht hat und besonders für Maril Davis war das Casting von Young Ian eine Herzensangelegenheit, denn sie hat im Podast zur Folge 306 gesagt, dass er ihr absoluter Lieblingscharakter in der Buchreihe ist und John Bell sie schon mit seinem ersten Auditioning Tape hundertprozentig überzeugt hat.
Wenn Claire das erste Mal seit zwanzig Jahren einen Blick auf Lallybroch werfen kann und durch das Tor reitet, sieht es auf den ersten Blick so aus, als wenn die Zeit stehen geblieben ist, denn alles ist noch genauso, wie sie es vor mehr als einem halben Leben zurückgelassen hat. Aber der äußere Schein trügt, denn sie merkt sehr schnell, dass sich Lallybroch nicht mehr so anfühlt, wie damals, bevor sie mit Jamie in den Krieg gezogen ist. Obwohl Claire für ihre Begriffe nach Hause kommt, ist sie, wie bei ihrem ersten Besuch, wieder nicht willkommen. Anstatt als lang vermisstes Familienmitglied begrüßt zu werden, wird sie von den Menschen, die für sie vor langer Zeit ihre Familie gewesen sind, misstrauisch beäugt und als die Frau gesehen, die sie alle betrogen und Jamie verlassen hat.
In meiner Review zu Episode 306 habe ich geschrieben, dass Steven Cree einen Wahnsinns-Job in der Szene gemacht hat, wenn Ian Claire sieht und in den ersten Sekunden denkt, ihm wäre ein Geist erschienen. Aber Laura Donnelly hat diesen “Schockzustand” noch auf eine viel höhere Ebene gebracht und sie ist einfach absolut brilliant, wenn Jenny das erste Mal ihrer totgeglaubten Schwägerin gegenübersteht. Jenny versucht diese Begegnung und den Schock herunterzuspielen und cool zu wirken, schafft es aber nicht. Wenn sie mit zitternder Stimme, kurzen und flachen Atemzügen, unterdrückten Tränen und mit in die Hüften gestemmten Händen vor Claire steht und sagt: “and here….ye are.” habe ich das Gefühl, ihr ist wirklich einen Geist erschienen. Jenny ist diejenige, die über diese Familie wacht und sie zusammenhält und ihre Bestimmung ist es, alle, die unter ihrem Dach leben, vor Kummer und Schmerz zu beschützen. Das macht sie, seitdem sie mit zehn Jahren durch den Tod ihrer Mutter, deren Platz einnehmen musste und nichts und niemand kann sie daran hindern, das zu tun oder zu sagen, was in ihren Augen richtig ist. Claire bekommt Jennys Abneigung umd Misstrauen mehr als einmal in diesen knapp sechzig Minuten zu spüren. Glücklicherweise hat Jenny mit Ian einen Mann an ihrer Seite, der sie so liebt, wie sie ist und der sie auch auf den Boden der Tatsachen zurückbringen kann und manchmal die Dinge für sie zurechtrückt, um ihr zu zeigen, dass sie nicht immer recht hat. Ich liebe es, wenn er zu Jenny sagt: “If there’s a pot of shite on to boil, ye stir like it’s God’s work.”
Das Haus ist voll mit Kindern und Enkeln der Murrays und ich bin wirklich erfreut, so viele Familienmitglieder zu sehen, denn in Folge 302 war mir Lallybroch ein bisschen zu einsam. Wenn Jenny Claire einen kurzen Überblick über alle Anwesenden verschafft und mit Namen um sich wirft, dass nicht nur Claire der Kopf raucht, huscht ein Lächeln über mein Gesicht, denn ich habe mir Lallybroch immer als einen Ort erhellt von Kinderlachen vorgestellt, an dem die Großfamilie Murray ein manchmal hartes, aber durchaus glückliches und zufriedenes Leben führt. Wenn man bedenkt, dass Jamie sich dieses Leben auf Lallybroch immer für Claire und sich ausgemalt hat und es nie hat erleben dürfen, blutet mir für jedes Mal das Herz, wenn er seine Schwester und seinen Schwager mit ihren Kindern und deren Kindern in seinem Elternhaus sehnsüchtig beobachtet hat und sich gewünscht hat, dass auch Claires und seine Kinder unter seinen Neffen und Nichten wären und mit ihrem Lachen sein Zuhause erhellen würden.
“What, d’ye think we were all just frozen in time waiting for you to return?” Wenn Jenny diese Worte zu Claire sagt, muss ich an ihre Worte “Do you think life just started when the two of you walked through that door?” denken, die sie damals zu Jamie gesagt hat, als dieser nach vier Jahren Abwesenheit, mit einer Sassenach-Frau im Gepäck, nach Lallybroch zurückkommt und den Haushalt an sich reißen möchte. Und sie hat meiner Meinung in beiden Fällen recht, denn, auch wenn wir es uns das ein oder andere Mal wünschen, wird sich die Welt nicht aufhören zu drehen, nur weil Jamie und Claire eines Tages durch irgendeine Tür geschneit kommen. Es gibt noch so viele andere Menschen im Outlander-Universum, deren Leben genauso zählt und wichtig ist, wie das von unseren Protagonisten. Jenny und Ian haben in Jamies und Claires zwanzigjähriger Abwesenheit die Verantwortung für Lallybroch und die Pächter übernommen und für ihr Wohlergehen gesorgt, haben ihren Kinder und Enkeln Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf gegeben und sie mit Liebe und Achtung erzogen. Sie hatten viele Jahre lang kein einfaches Leben und haben auch in ihren schwersten Zeiten Jamie stets mit ihrem Leben beschützt, ohne ihm jemals Vorwürfe zu machen. Aber sie haben niemals auf Jamie oder Claire warten können, auch wenn beide immer willkommen waren.
Vielleicht hätten Jamie und Claire Jenny und Ian doch die wahre Geschichte erzählen sollen, denn ich denke, dass Jenny, die eine Vision von Claire an Jamies Hochzeitstag hatte, für Dinge, die man nicht verstehen, sondern nur fühlen kann, wesentlich offener ist, als Jamie denkt. Wenn Murtagh ihnen die Geschichte geglaubt hat, warum dann auch nicht Jenny und Ian? Claire trägt ein ganzes Sammelsurium an Dingen bei sich, die ihre Zeitreise-Geschichte bekräftigen könnten: die Fotos von Brianna, ihre chirurgischen Instrumente und auch ihre Spritzen. Da Claire in “Echo der Hoffnung” eh dem ganzen Murray-Clan erklärt, dass sie aus der Zukunft kommt und alle es ihr auch irgendwie glauben, hätten Jamie und Claire es auch schon jetzt erzählrn können, denn sie hätten sich und auch Jenny und Ian viel Kummer und Leid erspart. Claires Versuch, Jenny zu erklären, warum sie sich all die Jahre nicht gemeldet hat, scheint etwas plausibler zu sein, als Jamies Geschichte, die er seiner Schwester kurz nach der Ankunft auf Lallybroch auftischt. Claires Halbwahrheit erinnert mich an das, was ihr Frank damals in Folge 101 erzählt hat, als er über seine Ausbildung beim MI6 gesprochen hat:”…The basic principle was that you stick to the truth as much as humanly possible, only altering those details that have to be kept secret.” Joy Blake zeigt uns an vielen Stellen sehr eindrucksvoll, wie wunderbar sich Aussagen, die nicht im Buch stehen, in die Handlung einfügen, solange sie inhaltlich zum Buch-Charakter passen. Daher mag ich es sehr, wenn Jenny zu Jamie sagt, dass die Claire, die sie kannte, niemals aufgehört hätte, nach Jamie zu suchen und ich finde wirklich, dass Jennys Satz “Well, family writes letters. Telling one another they’re alive.” auch von Diana hätte sein können. Er drückt so viel mehr aus, als nur Enttäuschung, denn Jenny fühlt sich von Claire betrogen, belogen, hintergangen und sie ist wütend auf die vielen Jahre, in denen sie ihre Schwester betrauert hat, die aber niemals gestorben ist, sondern die sich einfach nicht mehr gemeldet hat. Sie ist erbost darüber, dass Claire nach Culloden keinen einzigen Gedanken mehr an ihren geliebten Bruder, der vor Trauer innerlich gestorben ist und jahrelang nur ein Schatten seiner selbst war, und an Ian, sie und Lallybroch verschwendet hat und ohne ein Wort gegangen ist, einfach so, als ob niemand, der Jenny etwas bedeutet, jemals wichtig für Claire gewesen wäre. Ach Janet, wenn Du nur wüsstest, wie sich Claire gewehrt hat, zu gehen, wie sie am Craigh na Dun alles was sie hatte, in die Waagschale geworfen hat, um mit Jamie sterben zu können. Wenn Du nur hättest sehen können, wie sie all die Jahre an Jamie und auch an Euch gedacht hat, wie sie ihn vermisst und betrauert hat, dann würdest Du ihr auf der Stelle verzeihen. Aber das alles wird nicht passieren und so bricht es mit jedes einzelne Mal das Herz, wenn Jenny ihre Enttäuschung und Wut an Claire auslässt und wenn ich sehe, wie sehr sie das verletzt und wie sehr sie sich wünscht, dass ihr Jenny vergibt. Die Szene, wenn beide auf der Treppe sitzen, genauso, wie sie vor über zwanzig Jahren auch gemacht haben, als beide verzweifelt auf die Rückkehr von ihrer Ehemänner gewartet haben, ist wirklich sehr bewegend. Der Dialog ist herzerweichend, besonders der Part, wenn Jenny Claire sagt, dass sie wie eine Schwester für sie gewesen ist und Claire ihr antwortet: “I loved you too Jenny. Still do.” und sie um eine zweite Chance bittet, Jenny ihr aber die Antwort schuldig bleibt. Jenny scheint sich vorerst mit Claires Gesichte über die Ehe, die es in Boston zu retten galt, zufrieden zu geben, aber nichts außer der Wahrheit oder dass Claire zwanzig Jahre unter Amnesie gelitten hat, könnten auch ihre letzten Zweifel ausräumen. Ich mag es ganz und gar nicht, dass Jenny nach Claires Halbwahrheit jetzt denkt, ihre Schwägerin hätte mit ihrem zweiten Ehemann ein glückliches und zufriedenes Leben in Boston geführt, während sie all die Jahre ihren Bruder so voller Schmerz und Trauer hat sehen müssen. Als Claire Jenny sagt, dass ihr Ehemann in Boston und sie keine eigenen Kinder hatten, habe ich im ersten Moment darauf gewartet, dass sie Jenny aber von Jamie und ihrer Tochter erzählt. Aber meines Erachtens hätte die Erwähnung von Brianna nur noch weitere Fragen aufgeworfen und zu neuen Komplikationen geführt, denn Jenny hätte ihrer Nichte bestimmt schreiben wollen und hätte gar auf einen Besuch von Bree gewartet. Wenn Jamie und Claire gesagt hätten, dass Brianna nicht mehr lebt, um zu vermeiden, dass Jenny mehr Fragen über sie stellt, als die beiden beantworten könnten, hätten sie Jenny und den Rest der Murray-Familie vorsätzlich angelogen und das ist etwas, was beide niemals machen würden. Solange also Claires Zeitreise nicht thematisiert wird, solange können Jamie und Claire nichts von ihrer Tochter in der Zukunft erzählen, obwohl es gerade für Claire einiges einfacher gemacht hätte, wenn sie Brianna als Hauptgrund für ihr Verschwinden genannt hätte. Da aber weder Jamie noch Claire den für sie leichteren Weg wählen, wenn sie dadurch anderen Menschen Kummer bereiten würden, ist ihre Entscheidung, Bree nicht zu erwähnen, nachvollziehbar.
Als Jamie und Claire in ihrem Schlafzimmer den Tag ausklingen lassen, wird mir warm ums Herz. Nicht, weil ich auf eine heiße Liebesszene hoffe, sondern auf das, was in meinen Augen wichtiger ist: entspannte Zweisamkeit, in der sie miteinander reden und die wichtigen und auch unwichtigen Ereignisse des Tages Revue passieren lassen. Genau diese Situationen und die unzähligen tiefgründigen Gespräche zwischen Jamie und Claire sind das, was Dianas Bücher in meinen Augen so einzigartig machen und der Outlander-Reihe ihren besonderen Zauber verleihen. Ich könnte kapitelweise Dialoge zwischen Jamie und Claire lesen und mich niemals langweilen und von daher freue ich mich immer, wenn auch die Serie Raum und Zeit für Jamie und Claire als Ehepaar hat.
Jamie erzählt Claire die Geschichte, wie er aus Ardsmuir geflohen ist, um sie auf der Seehundinsel zu suchen und wir sehen an dieser Stelle die Szene, die wir alle in Folge 303 vermisst haben. Er beschreibt ihr, wie groß seine Enttäuschung gewesen ist, als seine Hoffnung, sie dort zu finden, zerstört wurde, so groß, dass er am liebsten gestorben wäre. Auch Claire weiß, wie es sich anfühlt, wenn man einem Geist hinterherjagt und dass das Gefühl von enttäuschter Hoffnung fast genauso schmerzt, wie der eigentliche Verlust, denn sie sagt in “Freedom and Whisky” zu Roger, wenn ihr dieser die Nachricht überbringt, dass Jamie noch lebt “I can’t go through that again.” Wenn Claire Jamie erzählt, dass immer, wenn sie Vogelgesang gehört hat, sie das Gefühl hatte, dass er mit ihr gesprochen hat, muss ich unmittelbar an Folge 301 denken, als sie in Boston den Vogel am Fenster sieht und mich berührt es sehr, dass sie Jamie in dem Vogel gesehen hat und mit diesem Wissen, bekommt diese kleine Sequenz eine ganz andere Bedeutung. Ohne große emotionale Worte schafft es Jamie, mit seiner Erzählung über Graugänse, die eine Partnerschaft fürs Leben eingehen, in der der eine Partner ohne den anderen nicht leben kann, Claire zu vermitteln, wie er sich ohne sie, seinen Partner fürs Leben, gefühlt hat und auch Claire spiegelt diese Gefühle wider, denn sie hat nicht weniger unter der Trennung gelitten. Nachdem sie so offen miteinander geredet und sich die Narben auf ihren Herzen und Seelen gezeigt haben, fast Jamie seinen ganzen Mut zusammen und bittet Claire, dass sie ihm mit ihrem Herzen zuhören soll, denn er hat ihr etwas Wichtiges sagen. Wir alle wissen, was jetzt kommen wird und ich halte an dieser Stelle die Luft an, denn ich hoffe, dass noch jemand rechtzeitig in den Raum gestürmt kommt und “Daddy!” ruft, bevor Jamie Claire reinen Wein einschenken kann und Gott sei Dank werden meine Gebete erhört. Könnt Ihr euch noch daran erinnern, wie Eure Reaktion war und was ihr in den ersten Sekunden gedacht habt, als ihr das Wort “Daddy” gelesen habt? Ich war verwirrt, überrascht, sprachlos und fassungslos. Mein erster Gedanke war, was zur Hölle soll das, Jamie Fraser und wie konntest Du das Claire antun!? Ungefähr so, wie sich viele von euch gefühlt haben, sieht Claire aus und Cait zeigt sehr eindrucksvoll das, was Claire gerade fühlt: Verrat, Schmerz und vor allem Schock. Laoghaire, die außer sich vor Wut ist, wie ein Kesselflicker flucht und Claire wüst beschimpft, ist das krasse Gegenteil von Claire, die in dieser ganzen Szene außer “Daddy” nichts sagt, da sie nicht begreifen kann, was gerade in ihrem Schlafzimmer passiert und der Schock sitzt so tief, dass ihr Tränen in die Augen treten und ihr wortwörtlich der Atem stockt.
Seit “The Devil`s Mark” frage ich mich, wie die Serienverantwortlichen es schaffen werden, sich aus der sehr tiefen Grube, die sie mit Laoghaires Verstrickung in den Hexenprozess, gegraben haben, wieder hinauszubefördern, denn Jamie hätte niemals die Frau geheiratet, die es fast geschafft hätte, die Liebe seines Lebens als Hexe auf den Scheiterhaufen zu bringen. Wie wir Buch-Leser wissen, hat Buch-Jamie im Gegensatz zu TV-Jamie vor der Hochzeit mit Laoghaire nicht gewusst, dass Laoghaire Claire mit einer gefälschten Nachricht in Geillies Haus gelockt hat (und da hört dann auch schon ihre Verwicklung in den Hexenprozess im Buch auf), noch hat sie im Buch gegen Claire ausgesagt oder ihr Statement, dass sie auf Claires Asche tanzen wird, abgegeben. Mit Folge 208, in der Laoghaire eigentlich rehabilitiert werden sollte, haben es die Serienmacher meiner Meinung nach nur noch schlimmer gemacht, denn eine an Jamies Shirt riechende Mrs-One-Day-I-Can-Earn-Yer-Forgiveness-And-Yer-Love-Laoghaire hat sich nicht sympathischer gemacht, sondern die selbst gegrabene Grube der Serienverantwortlichen nur noch tiefer. Von daher habe ich mir schon diverse Szenarien ausgedacht, wie zum Teufel Jamie Claire erklären wird, was in ihm vorgegangen ist, um Laoghaire zu heiraten, aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass Ron & Co. den Weg des diplomatischen Schweigens wählen werden. Wenn man nichts sagen kann, um eine Situation zu retten, dann ist es manchmal einfach das Beste den Mund zu halten. Und Ihr werdet es nicht glauben, aber ich, die sich schon seit über zwei Jahren immer mal wieder den Kopf über das Desaster mit Laoghaire zermartert und noch mehr Gedanken daran verschwendet hat, wie Jamie aus dieser Sache rauskommen könnte, ohne sein Gesicht zu verlieren, ist mit der Lösung des Problems äußerst zufrieden. In der Streitszene reicht mir Jamies Aussage “Well, ye’re the one that told me to be kind to the lass!” und Claires Antwort “I told you to thank her not marry her.” vollkommen aus. Es ist wirklich clever gelöst, dass die Tatsache, dass Laoghaire versucht hat, Claire zu töten, um Jamie zu bekommen, zwar erwähnt, aber nicht aufgebauscht wird und einfach unter die Kategorie “typisch Mann mit fünffachen Augenrollen” fällt. Jamie hätte mit hunderten Erklärungen kommen können, um seinen Verrat an Claire zu entschuldigen, wie, dass Laoghaire damals nur ein verliebtes Mädchen gewesen ist oder dass sie sich der Konsequenz ihrer Taten nicht bewusst war oder, oder, oder, aber statt dessen lassen die Serienverantwortlichen das alles unentschuldigt, weil sie es einfach nicht erklären können, ohne noch weiter in den Sumpf aus Charakterveränderungen zu versinken.
Ich bin wirklich dankbar dafür, dass die Streitszene sehr nah an meine Buch-Version herankommt und den Buchdialog fast wortwörtlich wiedergibt. Es ist alles da, was ich erwartet habe: Jamies Wut auf Claire, weil sie ihn verlassen hat, seine Eifersucht auf Frank, seine Trauer darüber, dass ein anderer Mann seine Tochter großgezogen hat und Claires Wut, dass Jamie ihr ein Leben aufgezwungen hat, dass sie niemals leben wollte. Ihre gegenseitigen Vorwürfe, der Schmerz und der Zorn über all die vielen einsamen und verlorenen Jahre, die Grobheit, die körperliche Konfrontation, das pure Verlangen sich besitzen zu müssen und nicht zu vergessen Jennys kalte Dusche, das endlich zu sehen und zu hören, ist weitaus mehr, als ich je zu erwarten gehofft habe.
Sam und Cait geben, wie so oft, ihr Bestes und wenn ich in ihre Gesichter sehe und dort die Einsamkeit, die Wut und den Schmerz sehen kann, dann kann ich nichts anderes sagen, als dass sie damals zu Recht gecastet wurden, denn ich kann mir niemanden vorstellen, der all das, was bereits hinter ihren Charakteren liegt und das, was noch kommen wird, so hätte interpretieren können, wie diese beiden. Ganz besonders liebe ich Caits Mimik, wenn sie Jamie “Left you?” ins Gesicht schleudert. Ich weiß nicht, wie oft ich gerade diesen Teil der Szene schon gesehen habe, wenn beide ihre Wut darüber, dass der andere sie allein gelassen hat, rauslassen und sich den Abgrund ihrer Seelen zeigen, denn ich finde sie so fantastisch gespielt, dass ich gar nicht aufhören kann, sie anzuschauen. Wenn Jamie zu Claire sagt: “Do ye know what it is to live twenty years without a heart? To live half a man and accustom yourself to exist in the bit that’s left?” und sie mit “Do I know? Do I know how that feels? Yes, you bastard, I know!” antwortet, laufen sowohl Sam als auch Cait zur Höchstform auf.
Ist Euch aufgefallen, dass Jamie auf Claires Frage, ob er ihr ihre Rückkehr vorwirft, “No. Yes. No.” antwortet. Selbstverständlich wirft er Claire ihre Rückkehr nicht vor, denn ich glaube ihm aufs Wort, dass er weitaus mehr tun würde, als zu lügen, damit sie bei ihm bleibt und auch dass er dafür seine Ehre, seine Familie und auch sein Leben opfern würde. Aber Claire hat sein spärliches Leben, das er sich in den vergangenen Jahren hart erkämpft hat, gehörig durcheinander gebracht und ihn ohne Vorbereitung mit Gefühlen konfrontiert, die er schon lange nicht mehr empfunden hat: tiefe Freude, Liebe, Sehnsucht, Verlangen, aber auch Angst. Jamie hat jetzt wieder etwas, wofür es sich zu leben lohnt und das bedeutet unweigerlich auch, dass er seinen Lebensinhalt auch wieder verlieren kann. Ich bin mir sicher, dass er es derzeit wirklich nicht genießt, in keinster Art und Weise Herr der Lage zu sein, denn seine Gefühle, seine Familie, seine Existenz und die Liebe seines Lebens stehen auf dem Spiel und von daher rutscht ihm dieses “Yes” einfach raus, obwohl er genau das Gegenteil meint.
Am nächsten Morgen nimmt das Drama auf Lallybroch seinen weiteren Verlauf. Claire hat ihre Sachen gepackt, um Jamie zu verlassen und dieser fleht sie an, nicht zu gehen. Jamie sagt ihr immer wieder, wie leid es ihm tut und versichert ihr, dass er immer nur sie geliebt hat, aber Claire zeigt kein Erbarmen und mir bricht es das Herz, beide soweit voneinander entfernt zu sehen, obwohl sie doch nur einen knappen Meter auseinander stehen. Ich kann Claire wirklich gut verstehen, denn sie ist nicht nur durcheinander und verletzt, sondern auch desillusioniert. Jamie, der Mann ihrer Träume, der ihr immer die Wahrheit versprochen hat, hat sie angelogen (wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, ob es wirklich eine Lüge ist oder “nur” das Vorenthalten wichtiger Informationen) und ihr Vertrauen missbraucht, auch wenn er es im Namen der Liebe gemacht hat und nach all dem, was geschehen ist, bereut sie selbstverständlich, dass sie zurückgekommen ist und zweifelt daran, ob Jamie wirklich immer noch der Mann ist, den sie einst geliebt hat. Ich habe niemals gedacht, dass ich das jemals schreiben werde, aber Gott sei Dank taucht in diesem Moment, in dem ich alles für verloren halte, Laoghaire auf und bedroht Jamie und Claire mit einer Waffe. Um ehrlich zu sein, eigentlich nur Claire, denn wenn sie die Sassenach-Hexe aus dem Weg schafft, dann kann sie ihren geliebten Jamie wieder für sich haben, meint sie jedenfalls. Leider geht die Pistole versehentlich los und Jamie, der Claire die ganze Zeit über mit seinen Körper geschützt hat, so wie er es ihr in ihrer Hochzeitsnacht versprochen hat, bekommt die Kugeln ab. Ich liebe es, wenn Claire Laoghaire aus dem Weg schubst und wenn Jamie nicht angeschossen am Boden gelegen hätte, dann hätte Claire sie bestimmt an ihren Haaren durch den Matsch, quer über Hof und durch den Torbogen hinaus geschleift. Grundsätzlich ist es mir egal, ob Claire, so wie im Buch, bereits unterwegs zum Craigh na Dun ist oder neben Jamie steht, wenn dieser angeschossen wird, denn das Ergebnis ist das Gleiche und Laoghaires Charakter ist genauso wie im Buch. Ich stelle fest, dass sie sich in all den Jahren nur äußerlich verändert hat und, wie Murtagh vor mehr als einem Vierteljahrhundert schon festgestellt hat, immer noch ein Mädchen ist, denn sie handelt immer noch egoistisch und impulsiv, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen. Aber ich bin ein bisschen traurig, dass Claire, nicht so wie im Buch, erst weggeht und dann von Young Ian zurückgeholt wird, weil Jamie mit seiner entzündeten Wunde und hohem Fieber dem Tode nahe ist. Ich kann verstehen, dass diese Szene den zeitlichen Rahmen dieser Folge gesprengt hätte, aber sie hätte Claire die Möglichkeit gegeben, sich mit all ihren Zweifeln auseinanderzusetzen, um sich dann, wenn sie Jamie pflegt, endgültig für ihn zu entscheiden. Trotzdem bekommen wir eine exzellente, aber zeitlich sehr komprimierte TV-Version von Jamies Genesung, in der er sehr buchnah seine Motive für die Ehe mit Laoghaire darlegt. – Mal kurz am Rande: wieviel Whisky muss Jamie getrunken haben, um so im Delirium zu sein, wie in der Operationsszene, dass er sich kaum rührt, wenn Claire ihm Whisky in die offenen Wunden schüttet? –
Claire bitte Jamie, ihr zu erzählen, warum er ausgerechnet Laoghaire geheiratet hat. Wenn er ihr beschreibt, wie fremd er sich auf Lallybroch gefühlt hat, als er aus Helwater zurückgekommen ist und wie sehnsüchtig er ein Vater sein wollte und sich eine Familie und einen Platz für sich gewünscht hat, orientieren sich die Worte aus dem Drehbuch stark an Dianas Buchtext. Für Jamie hat das Vatersein, immer schon zu seinem Leben dazugehört und es ist wirklich herzergreifend, dass er niemals für seine biologischen Kinder dieses sein konnte. Aber so schmerzlich das auch ist, ist es auf der anderen Seite auch tröstlich, dass er sein Herz für andere Kinder, die ihn brauchen, ohne Einschränkungen geöffnet hat und dass er diese Kinder als die seinen annimmt. Mir gefällt die Hogmanay-Szene sehr gut und wenn ich Jamie sehe, wie er sich in seinem Zuhause fremd und einsam fühlt, während alle um ihn herum ihre Lieben bei sich haben, lachen und Spaß haben, springt mich seine Einsamkeit förmlich an. Umso schöner ist es zu erleben, wie zwei kleine, zauberhafte Mädchen ihn seit einer halben Ewigkeit zum Lachen bringen und ihm seinen Lebensmut zurückgeben. Ich bin äußerst zufrieden mit der Entscheidung der Serienverantwortlichen, dass eigentlich Marsali und Joan und Jamies Wunsch, ein Vater zu sein, den Ausschlag gegeben haben, sich für eine Ehe mit Laoghaire zu entscheiden und Jamie in erster Linie die Mutter Laoghaire, als die Frau selbst geheiratet hat. Wenn wir uns dann auch noch die Szene in Erinnerung rufen, in der Jamie mit Joan nach dem Streit mit Laoghaire spricht, dann kann man ihm seine Ehe mit Laoghaire wirklich nur noch dann jemand vorwerfen, der selbst kein Herz hat. Jamies Motivation für die Ehe war einzig und allein sein tiefer und sehnsüchtiger Wunsch nach Kindern und nach einer Familie. Er ist ein wundervoller Vater und geht in dieser Rolle auf und was noch wichtiger ist, sie füllt ein wenig das Loch in seinem Herzen aus, dass Claires Weggang und der Verlust seiner leiblichen Kinder hinterlassen hat.
“I wanted to be a father, a husband all the things I thought the future held when I was with you. All the things I had to forget when I said good-bye to you at the stones.
To care for Willie or Brianna Watch them grow up, to show them how to be in the world.
I thought if I married Laoghaire, I could have all those things.”
(Jamie Fraser)
Wer an die ersten vier Folgen zurückdenkt, kann verstehen, dass Jamie diese Leere so sehnsüchtig füllen möchte. Es bricht mir wirklich das Herz, zu hören, dass sich trotz allem seine Wünsche nicht erfüllt haben: seine zweite Ehefrau hat sich vor seinen Berührungen gefürchtet und er konnte es nicht mehr ertragen, mit einer Frau zusammenzuleben, die Angst vor ihm hat und ich denke, dass dadurch seine erste Nacht mit Claire für ihn umso bedeutender gewesen ist. Ich kann Jamie noch nicht einmal dafür einen Vorwurf machen, dass er Claire nichts von seiner zweiten Ehe erzählt hat. In meinen Augen ist es keine Charakterschwäche, sondern die Handlung eines tief verzweifelten Mannes, dessen größte Angst ist, dass er seine über alles geliebte Frau, sein Herz, wieder verlieren wird. “I canna tell you how it felt when I touched you today and knew you to be real”. Claires Rückkehr hat für Jamie alles geändert, denn ohne sie war er ein Geist, ein Schatten seiner selbst, etwas, dass Claire sehr gut nachempfinden kann, denn sie hat in den letzten zwanzig Jahren auch nur zur Hälfte existiert. Sie wurde auch von ihren Erinnerungen an Jamie verfolgt, genauso wie Jamie sie niemals vergessen konnte, aber für Claire war es anders. Sie hatte ein Leben, eine Karriere und Brianna, alles Dinge, an denen sie sich festhalten konnte und die ihr jeden Tag aufs Neue Kraft gegeben haben, einen weiteren Tag ohne Jamie zu leben. Aber Jamie hatte im wahrsten Sinne des Wortes Nichts, denn er hat alles verloren, was ihm jemals im Leben etwas bedeutet hat und hatte nichts, womit er diese innere Leere füllen konnte, kein eigenes und selbstbestimmtes Leben, keine Karriere, die ihn ausgefüllt hat und nach Helwater nicht einmal ein Kind, das ihm Kraft und Zuversicht geschenkt hat. Claire wiederzufinden, sie wieder spüren und berühren zu können, mit ihr zu sprechen und wieder mit ihr zusammen zu sein, all das, was er in den letzten zwanzig Jahren entbehren musste und nun endlich wiedergefunden hat, zeigt ihm im Angesicht der Möglichkeit, es wieder verlieren zu können, wie tief dieses Loch der Einsamkeit und Verzweiflung in seinem Herzen und in seiner Seele gewesen ist und dass er es diesmal nicht mehr stopfen kann. Wenn Jamie lapidar zu Claire sagt: “If you won’t stay with me, then I’d rather die and be done with.” dann ist das die Wahrheit. Er wird es nicht noch einmal überleben, sie zu verlieren und wenn er nicht am Fieber sterben wird, dann wird er, genau wie die Graugänse, vor Kummer sterben und das nicht bildlich, sondern wortwörtlich. Nicht nur mich, sondern auch Claire berühren Jamies Erklärungen und vor allem sein tiefer Wunsch nach einem Leben, dass er sich immer mit ihr und ihren gemeinsamen Kinder gewünscht hat. Am Ende dieser Szene habe ich den Eindruck, dass sie endlich Jamie mit ihrem Herzen zuhört und seine Motivation, ihr nicht die Wahrheit zu erzählen, in gewisser Weise verstehen kann und hoffentlich kann sie ihm auch irgendwann vergeben, dass er ausgerechnet Laoghaire heiraten musste. In dem Moment, in dem Claire zu Jamie sagt, dass sie ihn nicht sterben lassen wird, geht sie in meinen Augen einen ersten Schritt auf ihn zu und wenn sie seine Hand berührt, dann ist das für mich ihr Angebot für einen Neuanfang.
Ich hatte gehofft, aber nicht wirklich damit gerechnet, die Sequenz mit Jamie zu sehen, in der der große mutige Krieger, der schon unzählige Male in dieser Serie sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, unsagbare große Schmerzen und unvorstellbares Leid ertragen musste und das alles überlebt hat, der fast sein ganzes Leben lang andere Menschen beschützt und im Namen der Liebe selbstlos gehandelt und viele Opfer erbracht hat, die gleiche Besorgnis zeigt, wie jedes Kind beim Kinderarzt, wenn Claire ihm die Spritze mit Penicillin gibt. Sein Gesicht und Claires Anflug von Genugtuung sind einfach unbezahlbar! Oh und habt ihr diesen Hundeblick gesehen, den Jamie Claire zuwirft, wenn sie ihm den Becher mit dem Wasser reicht? Ich schmelze förmlich dahin und wie kann Claire diesem Augenaufschlag nur widerstehen? So wütend kann sie doch gar nicht auf Jamie sein, oder?
Um Laoghaires Forderungen zu begleichen (vielleicht hätte Jamie sie doch wegen illegalen Waffenbesitzes anzeigen sollen und sie wäre dadurch nach Richmond in die Verbannung geschickt worden), muss Jamie einen Teil des Schatzes, den er damals auf der Seehundinsel gefunden hat, bergen und in Frankreich verkaufen. Jenny gibt schließlich ihr Einverständnis, dass ihr Sohn Jamie und Claire begleiten darf, und nimmt den Rat ihres Bruders an, Young Ian seine Freiheit zu geben. Jamie verspricht ihr, dass er gut auf seinen Neffen achten wird, aber er hat leider die Rechnung ohne die Piraten gemacht. Da Jamies Arm immer noch verletzt ist, bietet sich Young Ian an, anstelle seines Onkel zur Insel zu schwimmen und somit landen wir, zusammen mit Jamie und Claire, auf den Klippen irgendwo an der Nordwest-Küste von Schottland und sehen dabei zu, wie Young Ian zur Seehundinsel schwimmt.
Die letzte Szene mit Jamie und Claire hat mich etwas enttäuscht, vor allem, da diese Folge charakterlich an Perfektion grenzt und ich das Drehbuch von Joy Blake wirklich liebe. Claire zweifelt auf den Klippen an ihrer Entscheidung, zu Jamie zurückgegangen zu sein, wobei sie mit keinem Wort ihre Liebe zu Jamie oder seine zu ihr in Frage stellt, aber sie weiß nicht, ob sie es schaffen können, wieder eins zu werden. Sie hat es sich einfacher vorgestellt, dort anzuknüpfen, wo sie sich vor zwanzig Jahren verlassen mussten. Für mich kommen Claires Zweifel an Jamie und an ihrer Entscheidung wie aus dem Nichts, denn ich bin davon ausgegangen, dass sie sich nach ihrer Nacht am Krankenbett, dem darauffolgenden Gespräch mit Ned Gowan und dann mit ihrem Entschluss, Jamie und Young Ian zur Seehundinsel zu begleiten, längst für Jamie entschieden hat, so wie auch im Buch. Dort sagt sie zu Jamie, nachdem sein Neffe entführt wurde:
“»Du hast mich weder gezwungen, zu mir zu kommen, noch hast du mich Brianna entrissen. Ich bin gekommen, weil ich es wollte –weil ich dich wollte, genauso sehr wie du mich –, und die Tatsache, dass ich hier bin, hat nichts mit dem zu tun, was heute geschehen ist. Wir sind verheiratet, verdammt, vor jeder Instanz, die mir einfällt –vor Gott, vor den Menschen, vor Neptun oder wem auch immer.«
(Kapitel 39 “O Verloren! Und es trauert der Wind” aus Ferne Ufer by Diana Gabaldon)
Im “Inside the World of Outlander”-Video erzählt Toni, dass sie sich für Claires Zweifel in dieser Schlussszene entschieden haben, damit wir uns umso mehr über ihr Bleiben freuen. Okay, dafür habe ich nicht mehr als ein leichtes Augenrollen übrig, denn ich sehe absolut keine Notwendigkeit, jetzt, wo Jamie und Claire sich endlich wiedergefunden haben, diese emotional länger als nötig voneinander entfernt zu halten, so wie auch schon in der letzten Folge, nur damit wir Zuschauer uns noch mehr darüber freuen, wenn sie bleibt. Ich für meinen Teil hätte mich mehr darüber gefreut, wenn Claire auf der Klippe mit ihrer Entscheidung, alles für Jamie zu riskieren, im Reinen gewesen wäre oder dass sie wenigstens Jamies Frage: “Will you risk the man I am for the sake of the one ye once knew?” mit “Ja” beantwortet hätte, anstatt direkt das Schiff zu entdecken, das Young Ian entführt. Selbstverständlich hat Claire auch im Buch ihre Zweifel, wer hätte das in ihrer Stelle nicht, nachdem man erfahren hat, dass sich der eigene Ehemann auf die Erzfeindin eingelassen hat, aber das war BEVOR Jamie ihr erklären konnte, warum er Laoghaire geheiratet hat. Wenn sie sich im Buch, nach dem Auftauchen von Laoghaire, auf dem Weg zum Craigh na Dun befindet, führt sie folgenden inneren Monolog:
“Immer und immer hatte ich die Balance zwischen Mitgefühl und Erfahrung finden müssen, zwischen Liebe und Urteilsvermögen, zwischen Menschlichkeit und Rücksichtslosigkeit. Nur bei Jamie hatte ich alles gegeben, was ich hatte –hatte ich alles riskiert. Ich hatte die Vorsicht, das Urteilsvermögen und die Erfahrung über Bord geworfen und mit ihnen die Annehmlichkeiten und die Einschränkungen einer hart erarbeiteten Karriere. Ich hatte ihm nichts mitgebracht als mich selbst, war in seiner Gegenwart nur ich selbst gewesen, hatte ihm meine Seele genauso wie meinen Körper geschenkt, hatte es zugelassen, dass er mich nackt sah, darauf vertraut, dass er mich sah, wie ich war, und er meine Schwächen in Ehren halten würde –weil es schon einmal so gewesen war. Ich hatte Angst gehabt, dass er es nicht wieder können würde. Oder es nicht wieder wollen würde. Und hatte dann diese wenigen Tage perfekten Glücks erlebt, in denen ich gedacht hatte, was einmal wahr gewesen war, sei es wieder; dass ich frei war, ihn zu lieben, mit allem, was ich hatte und war, und mit derselben Aufrichtigkeit geliebt zu werden. Die Tränen rannen mir heiß und nass durch die Finger. Ich trauerte um Jamie und um das, was ich mit ihm gewesen war.
(Kapitel 35 “Flucht aus Eden” aus Ferne Ufer by Diana Gabaldon)
Aber Claire hat diese Zweifel in den Tagen, in denen sie Jamie gepflegt hat, ausgeräumt und sich mit allen Konsequenzen für ihn entscheiden, letztendlich auch, weil sie mit ihrem Herzen zugehört hat und nachempfinden konnte, warum Jamie Laoghaire geheiratet hat. Etwas, das ja auch in der Serie bereits geschehen ist und auch hier hat sie Jamies emotionales Bedürfnis nach Liebe und Wärme nachempfinden können. Ich dachte, mit ihrer Berührung in der Kranken-Szene zeigt Claire Jamie, dass sie im vergibt und dass sie jetzt, wo alle Karten auf dem Tisch liegen, zusammen von Vorne anfangen können. Wenn die Serienmacher Zweifel und mehr Drama haben wollten, dann hätten sie doch einen Teil von Claires Monolog als Voice-Over in der Kranken-Szene einbauen können, oder?
Als Claire Jamie aufzählt, was sie alles in Boston hatte, ein Leben, eine Karriere und auch Freunde, da vermisse ich in erster Linie das, was am meisten zählt, das, was Claire in ihrer Zeit nur schweren Herzens zurückgelassen hat: Brianna. Aber vielleicht hat sie Bree absichtlich nicht erwähnt, um Jamie nicht zu verletzen, denn er hat niemanden, zu dem er zurück kann, noch nicht einmal sein altes Leben und seine Druckerei in Edinburgh sind noch da. Ich hoffe, dass sich Claire in der nächsten Folge bevor Jamie und sie ihre ungewisse Reise in die Kolonien antreten, endgültig und bedingungslos für Jamie entscheiden wird, denn wenn sie zu diesem Zeitpunkt immer noch mit ihrem Entschluss hadert, sind das keine besonders guten Voraussetzungen für all die Abenteuer und Schwierigkeiten, die in den nächsten Folgen auf Jamie und Claire zukommen werden.
Nach fünf Folgen der Trennung und zwei Folgen der Disharmonie (Folge 306 lasse ich jetzt mal außer Acht, da dort alles passte) möchte und muss ich endlich sehen, dass Claire ihr Herz sprechen lässt und sie zu der Überzeugung kommt, dass nichts anderes wichtig ist, weil Jamie und sie zusammengehören, weil sie Seelenverwandte sind, weil der eine ohne den anderen unvollständig ist, weil sie wie ein Paar Graugänse sind und weil der eine ohne den anderen nicht existieren kann. Ich hoffe, dass dieser Aha-Moment aus dem Buch bald kommen wird, in dem Claire fühlt, dass Jamie der Schlüssel zu ihrem wahren Ich ist und nur er die Tür zu ihrer Seele öffnen kann. Jamie hat das schon in dem Moment gefühlt, als Claire in der Druckerei vor ihm gestanden und sie ihn das erste Mal, seit einer halben Ewigkeit, berührt hat und er würde alles tun, um die Liebe seines Lebens bei sich zu behalten. Ich weiß nicht, wie oft Jamie ihr in den letzten drei Folgen versichert hat, dass sie sein Leben ist, dass sie alles für ihn bedeutet und dass er es diesmal nicht überleben könnte, wenn er sie noch einmal verlieren würde. Mit der letzten Kameraeinstellung im Hinterkopf und dem Gedanken, wie unendlich weit und tief das Meer ist, so wie auch Jamies Liebe zu Claire und umgekehrt, erwarten wir alle sehnsüchtig die nächste Folge, mit der Hoffnung in unseren Herzen, dass wahre, aufrichtige und bedingungslose Liebe alle Stürme, die uns das Leben bietet, überstehen kann. Und daher verabschiede ich mich heute mal nicht mit “Je suis prest”, sondern mit Jamies Worten:
“It’s always been forever for me, Sassenach.”
@ Yvonne Pirch
Inside the World of Outlander Folge 308
Behind The Scences (Drehbuch, Videos, etc.) Folge 308
Podcast 308
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