Episode 411
“If Not for Hope”
Drehbuch: Brownwyn Garrity & Shaina Fewell
Regie: Mairzee Almas
“…because there is hope,
and hope is at the very heart of love.”
(Lord John)
ACHTUNG: Der folgende Text enthält Spoiler. Nicht nur Spoiler zur Serie und der aktuellen Folge, sondern auch zu allen Büchern von Diana Gabaldon, die bis zum heutigen Datum erschienen sind.
“If Not for Hope” – wieder eine Folge, die diese Mini-Staffel in dieser Staffel fortsetzt und die die Ereignisse und offenen Handlungsstränge aus der letzten Folge wie eine Brücke mit den noch zu erzählenden Plots in der nächsten Folge verbindet. Noch sind immer einige Handlungsstränge offen, fraglich oder wurden nur angerissen. So ist der Umstand, dass Murtagh verhaftet wurde und die Ungewissheit, was aus ihm werden wird, definitiv ein Thema, mit dem sich die kommende Episode befassen wird. Auch werden wir bestimmt sehen können, was aus Bonnet wird und auch Rogers Gesichte bei den Mohwaks ist noch nicht zu Ende erzählt.
Auch diese Woche haben sich die Drehbuchautoren sehr nah an die Handlungs aus Dianas viertem Buch gehalten und mir gefällt diese Folge außerordentlich gut. Langsam komme ich mir vor, als ob meine Schallplatte einen Sprung hat, weil ich jede Woche das Storytelling und die Performances der Darsteller lobe und ich wieder einmal nicht anderes kann, als zu sagen, dass diese Folge einfach großartig ist. Aber mal Hand aufs Herz – besser ich höre mich wie eine lobende Dauerschleife an, als wie ein unzufriedener und enttäuschter BL. Ich traue es mich fast nicht zu sagen, da noch immer zwei Folgen in dieser Staffel übrig sind, aber ich denke, dass diese vierte Staffel als ein Ganzes meine Erwartungen mehr als erfüllt hat, da ich in so vielen Momenten Dianas Buch und ihre Charaktere nicht als eine Adaption, sondern als Worte, die auf der Leinwand zu Fleisch und Bildern gewordene sind, sehen konnte.
Ich mag die Titelcard in dieser Woche sehr, denn sie zeigt uns einen Teil der Bilder, die Brianna während ihres Aufenthalts auf River Run gezeichnet hat. Auch mag ich den Gedanken, dass die Serie dadurch ihr Zeichentalent als einen Teil ihres Charakters ehrt, den sie weder von Jamie noch von Claire, sondern von ihrer Großmutter Ellen geerbt hat. Übrigens wurden alle Zeichnungen von Brianna, die wir in dieser Folge sehen können, eigenhändig von Mitarbeitern des Art Departements entworfen und selbstverständlich auch gezeichnet.
Wer hätte gedacht, dass Umstandsmode im 18. Jahrhundert so schön aussehen kann, denn mir gefallen die Kleider, die Brianna in dieser Folge trägt, sehr. Ihr könnt hier und hier einen näheren Blick auf einige der Kreationen werfen, die Terry mit ihrem Team für Brianna entworfen hat. Wenn ich all die wunderbaren und mit der allergrößten Liebe zum Detail entworfenen Kleider aus dieser Staffel Revue passieren lasse, ist die Nominierung von Terry und Nina für den “Costume Designers Guild Awards” mehr als gerechtfertigt.
Übrigens ist euch aufgefallen, dass wir einen weiteres bekanntes Gesicht im Cast von OL begrüßen dürfen, denn Billy Boyd, bekannt für seine Rolle als Pippin in “Herr der Ringe” gibt als Gerald Forbes in dieser Folge sein OL Debut.
My place is here
Ich finde, dass der Handlungsstrang mit Fergus, Marsali und Murtagh sehr gut funktioniert und in den Rahmen dieser Episode passt, auch wenn nicht ein Ereignis, das in dieser Folge in Wilmington stattfindet, im Buch überhaupt passiert ist, denn zu diesem Zeitpunkt haben Fergus und Marsali schon lange auf FR gelebt und Murtagh….naja, der wäre ja eigentlich schon seit fast fünfundzwanzig Jahren tot, wenn sich die Serienverantwortlichen an die Handlung aus Dianas Büchern gehalten hätten.
Fergus kommt von seiner Tour, in der er Informationen über Bonnet eingeholt hat und nebenbei den Steckbrief mit Murtaghs Konterfei entdeckt und entfernt hat, zurück in die Wohnung, die er mit Marsali gemietet hat. Er ist frustriert und niedergeschlagen, denn in Wilmington gibt es keine Arbeit für jemanden wie ihn – einen Mann mit nur einer Hand. Fergus Aussage “In Milord’s eyes, I’m whole, but to them, here, I’m less than a man. ‘Tis no work in Wilmington for someone like me.” zeigt, dass er, obwohl er sich mit seinem Schicksal abgefunden und arrangiert hat, trotzdem mit diesem hadert, denn auch wenn er alle Unterstützung seiner Frau hat, fühlt er sich manchmal und ganz besonders in Momenten, in denen er durch seine fehlende Hand schlechter behandelt wird, als ein gesunder Mann, minderwertig. Dieser Satz zeigt aber auch, dass Fergus weiß, dass Jamie niemals an ihm und seinen Fähigkeiten zweifeln wird und ich denke, dass dieser Plot den Grundstein legt, warum Fergus und Marsali ihr Leben mehr als gerne in Wilmington aufgeben und auf FR einen neuen Lebensabschnitt beginnen werden. Wir BL wissen, dass Fergus auch dort mehr als einmal erfahren muss, dass er niemals der Mann für Marsali und seine Kinder sein kann, der er gerne sein möchte, denn niemand kann ihm seine verlorene Hand und seine körperliche Unversehrtheit zurückgeben, nicht einmal ein Leben auf FR und der Glaube, den Milord in ihn hat.
Das Gespräch, das Marsali mit Murtagh mitten in der Nacht führt, nachdem sie ihn für seine Stiefel, die auf ihrem Betttuch stehen, gerügt hat (manchmal kann man es nicht von der Hand weisen, dass sie Laohghaires Tochter ist), ist von einem Abschnitt aus dem zweiten Buch “Die geliehene Zeit” (Kapitel 35 “Mondlicht”) inspiriert worden. In dieser Szene bittet Jenny Jamie darum, dass er Ian mitnehmen soll, wenn er sich den Jakobiten anschließen wird. Ich liebe Murtaghs trocken Humor in dieser Sequenz und das ihn nichts, aber wirklich gar nichts, aus der Ruhe bringen kann. Vor allem bewundere ich die Art und Weise, wie Duncan Sätze wie “Marriage not all ye hoped it would be, lass? If ye’re wanting rid of him, I can take him out back and If I wanted him shot, I’d do it myself.” mit all dem darstellt, was seine Augenbrauen hergeben und ich stelle fest, dass er es wirklich in jeder Folge schafft, mich mindestens zum Schmunzeln zu bringen. Aufgrund von Marsalis Bitte, Fergus eine Aufgabe zu geben, lädt Murtagh diesen ein, mit ihm und den Regulatoren gegen Tryon zu kämpfen. Fergus ist von diesem Angebot sehr gerührt, aber er hat bereits eine Aufgabe gefunden, die, obwohl es manchmal nicht so scheint, wichtiger ist, als alles andere auf der Welt, denn er sagt “But my place is here, with Marsali and Germain.”
Am Ende dieser Wilmington-Handlung wird Bonnet von Murtagh ausfindig gemacht, bewusstlos geschlagen und zum Abtransport, wohin auch immer, verschnürt. Aber leider geht nicht jeder Plan auf, denn Murtagh und Fergus werden auf der Straße überrascht und Jamies Patenonkel ermöglicht zwar Fergus die Flucht, aber leider wird nicht nur Bonnet verhaftet, sondern auch Murtagh. Es ist fraglich, wie und ob er dem Gefängnis wieder entkommen kann, aber man soll niemals die Hoffnung aufgeben, denn solange es Hoffnung gibt, ist nichts verloren.
Ye canna live on hope
Die Folge beginnt mit Brianna, die auf River Run an einer sehr düsteren Zeichnungen von Roger arbeitet und so versucht, das, was in der letzten Folge passiert ist, mit Hilfe ihres Zeichentalentes zu verarbeiten. Die Wogen haben sich etwas geglättet und Briannas Fraser- Temperament hat einer sanfteren Variante ihrer selbst Platz gemacht, denn sie hat Lizzie verziehen. Was aber nicht heißt, dass sie auch automatisch ihrem Vater vergeben hat, was ihre Aussage “Even if I could forgive him for what he did to Roger, I can’t forget the things he said to me.” mehr als deutlich macht. Schade, dass Brianna meine Worte, die ich in meiner letzten Review an sie gerichtet habe, nicht gelesen hat, denn dann wäre sie vielleicht weniger hart und mehr versöhnlicher in Bezug auf Jamie und könnte sehen, dass jede Geschichte zwei Seiten hat und sie an diesem Streit auch nicht ganz unschuldig gewesen ist und auch sie Dinge gesagt hat, die Jamie mehr als verletzt haben und die in meinen Augen auch unvergesslich, wenn nicht gar fast unverzeihlich sind.
Jocasta, die Briannas depressives Gemüt nicht ohne Hintergedanken aufheitern möchte, versucht mit einer Geschichte über Briannas Großmutter Ellen ihre Stimmung ein wenig anzuheben. Auch macht sie ihr klar, dass sie durch Gesellschaft und nette Gespräche ein wenig Ablenkung von ihren Sorgen um Roger bekommen kann und daher stimmt Brianna Jocastas Vorschlag, an der Dinnerparty, die sie zu Ehren eines gewissen Master of Mount Josiah aus Virginia (uns besser bekannt unter dem Namen Lord John Grey) gibt, teilzunehmen. Ich denke, dass sie diesem Unterfangen nicht zugestimmt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass das Dinner eher als Brautschau für sämtliche ledige Männer im Umfeld von Cross Creek dient, die sehr an eine Viehauktion erinnert, bei der die Tochter ihres Neffen das begehrte Stück Fleisch ist, das jeder der anwesenden Herren gerne mit nach Hause nehmen würde. Habt Ihr bemerkt, dass Brianna sowohl Ellens Perlen als auch Rogers Armband trägt, wenn sie etwas schüchtern die Treppe hinunterschreitet, um sich dem zu stellen, was sie in der Empfangshalle von River Run vorfindet.
Ich liebe es, wie Brianna es binnen weniger als einer Minute schafft, alle Anwesenden zu brüskieren und zu schockieren, was der Satz “You mean to say you draw Negroes?!?” aus dem Munde der Mutter von Judge Alderdyces beweist, denn für Brianna sind die Sklaven auf River Run nicht weniger schön oder weniger interessant oder weniger inspirierend, geschweige denn weniger wert, als die anwesenden Gäste. Die Szene, in der Forbes Brianna um die Auswahl eines Steins für ein Schmuckstück, das er gerne verschenken möchte, bittet, ist der entsprechenden Szene im Buch sehr ähnlich. Das Einzige, was anders ist, ist, dass ich beim Lesen nicht so in mich hinein gekichert habe, wie in dieser Folge, weil ich in diesem Moment daran denken muss, dass Forbes Freund Frodo Beutlin doch bereits einen Ring hat, der einen knechtet, ins Dunkle treibt und ewig im Lande der Schatten bindet. Eigentlich könnte Forbes doch einfach seinen Freund nach diesem Schmuckstück fragen, denn Brianna würde sich mit dem Ring, den er ihr gedenkt zu schenken, nicht schlechter fühlen, als wenn sie den Einen Ring am Finger tragen müsste.
Immer dann, wenn David als Lord John die Mattscheibe betritt, geht in mir sie Sonne auf und ich liebe seine Art, wie er seinen Charakter porträtiert. David schafft es immer wieder mit nur einem kurzen Blick, einem Schatten, der für Sekunden über das Gesicht von Lord John huscht oder mit einer kleinen Geste, so viel über den Schmerz, den sein Charakter in sich trägt und über seine heimlichen Sehnsüchte auszudrücken, dass es wirklich eine Schande wäre, ihn nicht in einem Spin-Off sehen zu können.
Lord John sieht in der Szene, wenn er als verspäteter Gast der Dinnerrunde vorgestellt wird, in seinem dunkelblauen Anzug, der seinen hellen Teint, seine dunklen Haare und blauen Augen gekonnt in Szene setzt, einfach großartig aus. Wow, was für ein wundervoller Mann und ich muss Claire korrigieren, denn nicht nur ein Highlander in seiner vollen Montur ist atemberaubend, sondern auch ein ehemaliger Gouverneur in einem dunkelblauen Seidenanzug kann einem die Sprache verschlagen und es ist wirklich eine Schande, dass Lord John der Frauenwelt nicht zur Verfügung steht. Das wissen aber die anwesenden Herren, die um Briannas Wohlwollen buhlen, nicht, denn sie alle sehen ihre Felle gerade davonschwimmen, wenn Lord John mit seinem für ihn so typischen entwaffnenden Lächeln den Raum betritt. Hier könnt ihr auf Terrys Twitter Account den Anzug von Lord John noch einmal ausgiebig bewundern.
Ich weiß nicht so ganz, was ich von dem Psychologie Spiel halten soll, das Brianna während des Dinners zum Besten gibt, außer, dass ich es etwas zu lang empfunden habe und mir klar wird, dass sich die Verantwortlichen im Writers Room bestimmt einen Spaß draus machen, alle Dinnerpartys der Familie Fraser in einer mehr oder weniger großen oder kleinen Katastrophe enden zu lassen. Wenn ich diesem Geplänkel mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, dann hätte ich nicht erst im zweiten Anlauf gesehen, was mir beim ersten Mal entgangen ist, denn ich habe nämlich die Blicke, die sich Lord John und Judge Alderdyce über den Tisch hinweg zuwerfen, total verpasst. Wenn ich sie aber gesehen hätte, dann hätte ich auch sofort die Verbindung zwischen dem, was Alderdyce vor seiner Mutter versteckt, herstellen können und wäre nicht erst im Nachhinein, nachdem Brianna Lord John und Alderdyce in flagranti erwischt hat, darauf gekommen. Aber Gott sei Dank ist es meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass Lord Johns Begleitung in diesem imaginären Wald kein anderer als Jamie ist und ganz ehrlich, alles andere hätte mich auch mehr als überrascht. Ich hätte viel lieber erfahren, welches Tier sich Lord John in diesem Zusammenhang vorgestellt hat – vielleicht den Weißen Hirschen aus den Büchern-, als zu wissen, dass Alderdyce in seiner Vorstellung von einem Eichhörnchen begleitet wird. Wenn die Sprache auf Jamie kommt, merkt Lord John an, dass dieser ein ehrenhafter Mann ist, der ihn gebeten hat, in seiner Abwesenheit nach Brianna zu sehen. “Don’t talk to me about my father’s honor!” ist ihre schnippische Antwort auf Jamies durchaus ehrenhaftes Verhalten, ihr seinen besten Freund in dieser schweren Zeit als Stütze zur Seite zu stellen und Lord John merkt recht schnell, dass nichts im Hause Fraser in Ordnung zu sein scheint, was Brianna ihm nach ihrer Fake-Ohnmacht auch in kurzen und knappen Worten erklärt. Lord John überreicht ihr einen versiegelten Brief, den Jamie ihm geschickt hat, um ihn an Brianna auszuhändigen. Ich frage mich jetzt nicht, warum Jamie nicht Murtagh diesen Brief vor ihrer Abreise von FR gegeben hat, sondern ihn erst später an Lord John geschickt hat, denn manchmal muss man die Dinge einfach nehmen, wie sie sind und nicht immer alles hinterfragen.
Die Szene nach Briannas Unterhaltung mit Lord John, in der sie mit Jocasta ein offenes und ehrliches Gespräch führt, ist sehr gut gelungen und sowohl Sophie als auch Maria sind großartig. Beide schaffen es in dieser Szene eine Balance zwischen Brianna und ihrer Großtante zu halten, die durch ein zuviel betontes Wort auch hätte kippen können und entweder Jocasta oder die Enkelin ihrer Schwester in einem anderen Licht hätte erscheinen lassen. Aber so, wie die Szene gespielt ist, können wir Zuschauer beide Seiten verstehen und nachfühlen. Obwohl ich Briannas Frustration und Ärger über die Verkupplungsversuche an diesem Abend sehr gut nachempfinden kann, verstehe ich auch Jocastas Standpunkt, die als fürsorgende Tante aus dem 18. Jahrhundert nur das Beste für die Tochter ihres Neffen und seinen Enkel möchte. Und so ist es nur verständlich, dass sie Brianna mit ihren vielleicht hart und herzlos klingenden Worten versucht die Augen zu öffnen und ihr die Situation so darzustellen, wie sie wirklich ist, denn sie sagt zu ihr: ”I ken ye once had a man ye loved, but he’s gone. It’s not what ye want to hear, but he’s not coming back. He’s with the savages now, be it dead or alive. The sooner ye accept that, the better. Ye canna live on hope.” Jocasta hat durch ihre Lebenserfahrung und bestimmt auch dadurch, dass sie nicht nur drei Männer hat beerdigen müssen und ihre beiden Brüder und ihre Schwestern verloren hat, sondern auch ihre drei Töchter viel zu früh zu Grabe hat tragen müssen, jeglichen Glauben an die Hoffnung verloren und sieht das Leben so, wie es ist, ohne darauf hoffen zu können, dass manchmal sich die Dinge doch zum Besseren wenden können, auch wenn man es nicht für möglich hält. Vielleicht hätte sie einmal ein Gespräch mit ihrem Neffen führen sollen, der ihr so viel mehr über die Hoffnung und den Glauben an diese hätte sagen können, die ihn durch die schlimmsten Jahre seines Lebens gebracht haben, in denen er nichts hatte, als seine Gebete für Claire und seine Tochter und die vage Hoffnung, dass er durch seine selbstlose Tat in dieser weiterleben wird.
Und dann kommt die Szene, die für mich die unrealistischte in dieser ganzen Staffel ist und noch mehr Out-of-Charakter ist, als Claires Emergency Room Tunnelblick in Folge 402, denn für kein Geld der Welt kaufe ich es der Serie ab, dass LJ so unvorsichtig gewesen ist und in Jocastas Haus so offensichtlich und so unversteckt Sex mit Alderdyce gehabt hat. Lord John handhabt seine Sexualität immer diskreter als diskret, weil es sich vor nichts mehr fürchtet, als davor, entdeckt zu werden. Ich kann aus filmtechnischen Gründen verstehen, dass Brianna sehen musste, dass Lord John das männliche Geschlecht bevorzugt, denn im Gegensatz zum Buch, wo sie sich mit viel innerem Monolog, Beobachtungen und Schlussfolgerungen eins und eins zusammenreimt, kann das ein visuelles Medium nicht leisten. Aber never ever wäre Lord John so unvorsichtig gewesen und hätte sich der Gefahr ausgesetzt, entdeckt zu werden, ganz besonders mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ihm dann das Gleiche passieren würde, wie Percy in “Die Sünde der Brüder”. Ich hätte es glaubwürdiger gefunden, wenn Brianna Lord John und Alderdyce in der Nacht draußen, an einem versteckten Ort, wie einer Scheune, einem Stall oder meinetwegen auch hinter einem Busch, entdeckt hätte, denn das hätte viel besser zu dem Lord John gepasste, den ich schon seit vielen Jahren aus den Büchern kenne.
Sometimes people do the wrong thing for the right reasons
Ganz ehrlich, ich liebe jeden einzelnen Moment zwischen Lord John und Brianna, angefangen bei ihrem Gespräch nach dem Dinner bis hin zu der Konversation auf der Veranda – alle Szenen waren für mich so perfekt dargestellt, wie ich es mir immer erhofft habe, insbesondere die Szene in der Brianna versucht, von Lord John ein Verlobungsversprechen zu erpressen. Dieser Moment gehört zu meinen Lieblingsszenen in Band 4 und ich habe mich schon lange darauf gefreut, ihn endlich mit eigenen Augen sehen zu können. David und Sophie haben ihn zu einem ganz besonderen Augenblick gemacht, auch wenn er sich anders als im Buch angefühlt hat, was nicht heißt, dass die Szene schlechter war, halt nur anders. Vielleicht liegt es daran, dass man in der Serie nicht so wie im Buch die Gedanken hören kann und man nur auf den Dialog, auf die Mimik und Körpersprache der Darsteller angewiesen ist, die zwar perfekt waren, aber trotzdem die Lücken nicht ganz füllen konnten, um mir das Gefühl aus dem Buch zu vermitteln. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Teil fehlte, indem Lord John über das Auspeitschen von Jamie in Ardsmuir erzählt und auch, was das mit ihm emotional gemacht hat – eine für mich sehr wichtige Sequenz, um Lord John zu verstehen und ihn so zu sehen, wie Diana ihn erschaffen hat. Aber da es die Szene mit dem Tartanstoff in der Serie nicht gegeben hat, konnte es ja auch das Gespräch darüber nicht geben, was mir schon im Voraus klar war, aber trotzdem habe ich diesen Einblick in seine Seele vermisst. Brianna sagt ihm, dass sie nur wegen ihres ungeborenes Kindes an einer Heirat mit ihm interessiert ist und ich liebe es, wenn Lord John mit “You are your father’s daughter. That’s certain.” antwortet, denn in seinen Augen ist es unbegreiflich, dass sowohl Vater als auch Tochter ihm zum Retter ihrer Kinder erklären. Manchmal geht das Schicksal halt merkwürdige Wege! Briannas Erpressungsversuch ist die verzweifelte Tat einer sehr verzweifelten Frau, die alle Hoffnung auf eine Zukunft mit der Liebe ihres Lebens aufgegeben hat und der das letzte Fünkchen Hoffnung von ihrer Tante in der Nacht zuvor geraubt wurde. Lord John, einfühlsam wie er ist, sieht die Verzweiflung, die hinter Briannas Vorhaben steckt und er macht ihr freundlich, aber bestimmt, klar, dass eine Ehe mit ihm nicht zur Disposition steht. Aber Briannas Entschluss einen Mann zu finden, damit ihr Kind kein unehelicher Bastard wird, steht fest, denn für ihr ungeborenes Kind würde sie alles tun, auch wenn sie dafür ihre Hoffnung auf ein Leben mit Roger aufgeben und sich für eine Ehe aus Verpflichtung entscheiden müsste, etwas, dass sie niemals für sich hat haben wollen.
Am Ende ist es nicht ihr Wissen über Lord Johns sexuelle Orientierung, sondern seine Loyalität zu Jamie und seine Dankbarkeit Claire gegenüber, die ihn dazu bewegt, Brianna als seine Verlobte vorzustellen, denn er weiß vielleicht besser als jeder andere, wie sich ein unerfülltes Leben ohne Hoffnung auf den einen Menschen anfühlt. Und so wie Claire mit ihrer Aussage, dass Lord John Willie hat, auch wenn er Jamie niemals haben kann, diesem etwas gegeben hat, an dem er sich festhalten kann, so kann er jetzt etwas von dem zurückgeben, indem er der Tochter von Jamie und Claire, nicht nur Hoffnung, Glauben und Zeit, sondern durch seine Aussage “Sometimes people do the wrong thing for the right reasons.” die Erkenntnis gibt, dass nicht immer alles im Leben nur schwarz oder weiß beziehungsweise richtig oder falsch ist. Dadurch eröffnet er Brianna die Möglichkeit, das Verhalten ihres Vaters in einem anderen Licht zu betrachten und gibt ihr den Mut und die Kraft, sich mit dem, was ihr Da ihr zu sagen hat, auseinanderzusetzen, denn “because there is hope, and hope is at the very heart of love.” Und so bricht Brianna das Siegel auf Jamies Brief, um diesen zu lesen. Und nicht zu wissen, was ihr Vater ihr geschrieben hat und darauf bis nächste Woche warten zu müssen, ist für mich viel schlimmer als alle Cliffhanger der vergangenen 11 Folgen zusammen.
Trust me
Alle Szene zwischen Jamie und Claire sind großartig von Sam und Cait dargestellt und mir blutet das Herz, unsere Protagonisten so entfremdet voneinander zu sehen. “If there was a moving picture about us, about me, I’d be seen as a fearsome brute.” ist Jamies erste Aussage in dieser Folge, die mir sehr nahe geht und es werden in den nächsten sechzig Minuten noch unendlich viele dieser Art folgen. Nicht nur sein Selbstbild, das er im Moment von sich hat, macht mir zu schaffen, sondern auch Claires Art, wie sie mit Jamies Gewissensbissen, seiner Schuld und seiner inneren Zerrissenheit umgeht. Jamie fleht sie förmlich mit dem, was er über sich denkt, nonverbal an, auch die andere Seite der Geschichte zu betrachten und zu sehen, was das Drama um Roger und den daraus resultierenden Streit nicht nur mit ihrer Tochter gemacht hat, sondern was diese Vorkommnisse auch bei ihm ausgelöst haben. Aber Claire ist in ihrer Blase aus Schmerz, Schuld, Zweifel und Wut in diesem Moment, in dem Jamie ihren Zuspruch mehr als alles andere braucht, so sehr gefangen, dass sie seinen Hilferuf nicht hören kann.
“We’ve lived wi’ the fear of the unknown before, not knowing if the other is alive or dead, but each passing day, Bree must suffer through the very same thing.” – dieser Satz von Jamie zeigt in wenigen Worten all das, was er seit dem Morgen, an dem alles ans Licht gekommen ist, an Ballast mit sich herumträgt und auch wenn Claire ihm nicht zustimmt, brauchen wir nur in ihr Gesicht zu sehen, um festzustellen, dass sie genauso fühlt. Beide wissen, wie entsetzlich und grausam das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und der Leere ist, das sich in einem breit macht, wenn man den einen Menschen verloren hat und nur noch ein halbes Leben führt, denn sowohl Jamie als auch Claire haben zwanzig Jahre lang so leben müssen. Sie haben zwanzig Jahre lang keine Hoffnung, keine Träume und keinen Glauben an ein Leben, das einen voll und ganz ausfüllt, gehabt und sie haben die Leere in ihren Seelen versucht zu füllen, mit allem, was das Leben ihnen angeboten hat – Jamie mit Laoghaires Töchtern und seiner Arbeit als Drucker und Claire mit Brianna und ihrer Arbeit als Chirurgin. Weder Jamie noch Claire wünschen sich so ein Leben für ihre Tochter und allein dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit aus eigener Erfahrung nachempfinden zu können, ist schon schwer zu ertragen. Aber dieses Schicksal durch das eigene Handeln unwissentlich wissentlich seinem Kind, dem Menschen, um dem man sich für bis an sein Lebensende sorgen wird und dem man immer nur das Beste wünscht, selbst angetan zu haben, ist mehr als Jamie und Claire im Moment händeln können. Jeder trägt so schwer an der eigenen Schuld in diesem tragischen Verwechslungsdrama, dass niemand die Kraft und den Mut hat, sich dem anderen anzunähern und anzuvertrauen, denn das würde bedeuten, sich seinen eigenen Schuldgefühlen stellen zu müssen und das wäre zu diesem Zeitpunkt sowohl für Jamie als auch für Claire einfach zu früh.
Aber der Episodentitel “If Not for Hope” ist ja bewusst so gewählt worden und trotz aller Ausweglosigkeit besteht immer noch Hoffnung – Hoffnung, Roger zu finden und vor allem Hoffnung für Jamie und Claire, dass sie ihre selbst errichteten Mauern der Schweigens einreißen und dem anderen die eigene Schuld und die eigenen Ängste anvertrauen, auch wenn sie dazu die Hilfe ihres weitaus jüngeren Neffen bedürfen. Denn Ian gibt in seinem Gespräch, in dem er zu Claire “I hate to see ye both sufferin’ so.” sagt, den Stein des Anstoßes, der diese zu der Einsicht bringt, dass Jamie und sie nicht böse auf den anderen sind, sondern einzig und allein auf die Welt und sich selbst, insbesondere auf den Teil, für den sie sich in dem Drama verantworten müssen.
Die Szene im Zelt, in der sich Jamie und Claire letztendlich aussprechen, ist sehr emotional, bewegend und ich bin sehr dankbar, dass der Augenblick, in dem die Versöhnung der Familie Fraser als Ganzes beginnt und die in der Aussprache von Jamie und Claire ihren Ursprung findet, so herzergreifend und so besonders wundervoll gelungen ist und ich nicht Sam und Cait sehe, die Jamie und Claire spielen, sondern meinen Jamie und meine Claire aus dem Buch auf dem Fernseher erscheinen. Der Dialog zwischen den Frasers spricht die Dinge, die sich zwischen ihnen verändert haben, seitdem Brianna unerwartet in das Leben ihrer Eltern getreten ist, an. So wie jedes frischgebackene Elternpaar lernen muss, das ein Leben zu dritt anders ist, als ein Leben zu zweit, müssen auch Jamie und Claire ihren Platz in dieser Familie zu dritt finden und ich denke, dass Claires ehrliches Geständnis “When I made you that promise, there was no one else in my life who could come before you. But I don’t know if I can keep that promise anymore.” ein Anfang in diesem stetigen Lernprozess ist. Jamie war, ist und wird immer ihr ein und alles sein, aber mit Brianna hat sich in der Beziehung zu ihm etwas geändert, denn für Claire ist jetzt jemand da, der für sie genauso wichtig ist, wie Jamie und sie kann durch die Anwesenheit ihrer Tochter nicht gewährleisten, dass ihr Mann immer und ausschließlich an erster Stelle kommen wird, denn es wird immer wieder Situationen geben, in denen sie sie zwischen ihm und ihrer Tochter entscheiden muss.
“I canna be a father to her.” – was für eine bewegende Aussage von Jamie und in seinem Gesicht können wir den ganzen emotionalen Ballast sehen, den er seit seinem Streit mit Brianna mit sich herumträgt. Nach all der puren Freude, seine Tochter kennenlernen zu dürfen, sie vor sich zu sehen, sie berühren und in seinen Armen halten zu können, bricht es mir das Herz, dass Jamie seit vielen, vielen Tagen mit der Gewissheit leben muss, Brianna für immer verloren zu haben, weil er keine Hoffnung hat, dass sie ihm jemals verzeihen wird. Seine Selbstzweifel und seine Wut auf sich selbst und das, was Brianna über ihren geliebten Vater Frank gesagt hat, haben in Jamie einem Gefühl Platz geschaffen das er das letzte Mal vor mehr als zwanzig Jahren in Paris gehabt hat, als er sich die Schuld an der Totgeburt seiner Tochter Faith gegeben hat – er zweifelt an Claires Liebe zu ihm und hat Angst, sie vielleicht für immer verloren zu haben. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf dreht sich mir fast der Magen um, wenn ich nur daran denke, was diese Unsicherheit mit Jamie in den vergangenen Tagen gemacht hat und wie verzweifelt und hoffnungslos er sich gefühlt haben muss. Er muss durch die Hölle gegangen sein, in die Brianna ihn während ihres Streits gewünscht hat, denn er sieht sich, wenn seine schlimmsten Zweifel zur Gewissheit werden würden, ein Leben leben, das er schon einmal gelebt hat, als er Claire durch die Steine geschickt hat – ein Leben ohne den Menschen, der ihn ganz macht, ein Leben ohne sein Herz und ohne sein Kind, ein Leben ohne Hoffnung. Wie groß muss seine Angst in all den Tagen, in denen Claire ihm die kalte Schulter gezeigt hat, gewesen sein, so ein Leben erneut leben zu müssen und wenn ich dieses schreibe, dann raubt es mir fast den Atem, denn so unvorstellbar ist das, was Jamie durchgemacht hat und ich habe Hochachtung davor, dass sich nur seine Augen mit Tränen füllen, wenn er Claire diese Zweifel gesteht und er nicht wegen des Gewichts, das auf seiner Seele lastet, zusammenbricht. “I love you both so much.” – mehr muss Jamie nicht von Claire hören, denn ihre Worte und das, was er in ihren Augen und in ihrem Gesicht lesen kann, versichert ihm, dass sich nichts an Claires unendlicher Liebe zu ihm geändert hat und unter Tränen nimmt er ihre Liebe und die Hoffnung, die sie ihm in Bezug auf eine Versöhnung mit Brianna gibt, dankend an.
Shadow Lake
Die Eröffnungsszene mit Roger unter der Dusche finde ich toll und ich hätte die Nicht-BL und die überängstlichen BL noch ein bisschen länger zappeln lassen. Dadurch, dass wir Roger nicht am Steinkreis antreffen, dort wo wir ihn letzte Woche verlassen haben, sondern er sich zusammen mit den Mohawks an einem Fluss befindet, wissen wir nicht, ob er sich bewusst gegen die Steine entschieden hat oder ob die Indianer ihn, so wie im Buch, wieder eingefangen haben, bevor er seine Entscheidung hat treffen können. Vielleicht bekommen wir die zeitliche Lücke, die zwischen der letzten Episode und dieser klafft, in den beiden verbleibenden Folgen als Rückblick gezeigt, wenn Roger und Brianna sich endlich wiederfinden.
Richard porträtiert gerade in der letzten Szene, wenn er in “Shadow Lake”, dem Dorf der Mohwaks ankommt und durch die Reihen der Indianer getrieben wird, Rogers Angst und Hoffnungslosigkeit allein durch seinen verzweifelten Blick und seine unsicheren Gesten. Nicht nur Roger ist von den vielen Eindrücken, die sich ihm in seinen ersten Sekunden in Shadow Lake bieten, überwältigt, sondern auch ich kann all die Details, die sich in Form von Langhäusern, Kostümen und Ausrufen in einer fremdartig klingenden Sprache, vor meinen Augen auftun, gar nicht alle beim ersten Angucken ausmachen und einordnen. Noch ehe Roger seine Lage überhaupt erfassen und verarbeiten kann, wird er durch ein Spalier aus Mohawk- Kriegern getrieben, die ihn schubsen und schlagen. Bevor er das Ende dieser Reihe erreicht hat, trifft ihn ein Schlag so hart, dass er bewusstlos zu Boden geht.
Roger musste auf seiner zweimonatigen “Reise” schon so viel durchmachen und sich so oft der Angst vor seinen Entführern und der Zukunft, der er entgegenblickt, stellen, dass es kein Wunder ist, dass er keine Kraft und keinen Mut mehr hat, sich gegen sein Schicksal zu stellen, sondern alle Hoffnung aufgegeben hat. Nicht nur das Ende, sondern auch das mit einer schaurigen Melodie untermalte Roger und Brianna Theme, das während des Abspann zu hören ist, macht deutlich, dass Rogers Leidensweg mit der Ankunft im “Shadow Lake” Dorf lange noch nicht zu Ende ist, sondern erst jetzt richtig begonnen hat.
If not for hope – so wie die Hoffnung diese Woche jeden unserer Protagonisten antreibt, weiterzumachen, an das Unglaublich zu glauben und niemals aufzugeben, treibt uns die Hoffnung, unsere Lieblingsbücher sehen zu können, jede Woche vor den Fernseher. Auch wir machen weiter, auch dann, wenn wir das ein oder andere Mal enttäuscht wurden und glauben jede Woche daran, dass die Serienverantwortlichen erneut unsere Lieblingsbücher zum Leben erwecken und wir werden niemals aufgeben, an das zu glauben, was Diana uns geschenkt hat – eine epische Liebes-, Lebens- und Familiengeschichte. Viele von uns haben sich erst durch OL und vor allem durch die Verfilmung gefunden und meine Hoffnung zu Beginn der ersten Staffel, dass die Serie etwas Unglaubliches und Einmaliges erschaffen kann, sind niemals enttäuscht worden, sondern mehr erfüllt worden, als ich mir jemals hätte ausmalen können.
Nur noch zwei Folgen trennen uns alle von einem weiteren Droughtlander, das aufgrund der langen Drehpause zwischen Staffel 4 und 5 wohl länger dauern wird, als wir es gewohnt sind. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir das gemeinsam schaffen werden und uns dann, wann immer Staffel 5 auch starten wird, mit neuer Hoffnung und neuen Erwartungen in diese stürzen werden, so wie wir es immer schon getan haben.
Je suis prest!
@ Yvonne Pirch
Behind The Scences (Drehbuch, Videos, etc.) Folge 411
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